Das epische Theater von Brecht und seinen Einfluss auf die moderne Inszenierung 2

Seine Ästhetik

Brecht beginnt, neuartige Techniken zu entwickeln, die es dem Publikum ermöglichen, sich emotional von dem Geschehen auf der Bühne zu distanzieren und es aus einer anderen Entfernung mit kritischem Auge zu betrachten. Brecht nannte dese Entfernung des Zuschauers “Verfremdungseffekt”. Diese Verfremdung wurde erreicht durch die Einbeziehung szenischer Mittel wie Ankündigungen oder Plakate, durch die die Handlung unterbrochen wurde, oder durch komische Situationen innerhalb des Werkes, wie zum Beispiel die Einführung von Musik oder das Erscheinen von Jahrmarktsfiguren. Ein weiteres wichtiges Konzept dieser Art von Theater ist die Suche nach einem nicht tragischen Helden. Dies führt unweigerlich zur Schaffung von menschlichen Personen, die Angst verspüren und das, was sie getan haben, widerrufen. Weiterführend muss man hinzufügen, dass das epische Theater einen episodischen Charakter annimmt.

Die Formen des epischen Theaters  entsprechen den neuen technischen Formen wie Kino und Radio. Man versucht, Handlungen zu vermeiden, bei denen der Zuschauer einen Teil nicht ohne das Ganze verstehen kann. Ganz im Gegenteil: jedes Teil muss in sich selbst einen Wert haben. Das beste Beispiel dafür ist das Werk “Furcht und Elend des dritten Reiches”. Das Stück besteht aus isolierten Szenen, die, alle zusammen, das Leben im Deutschland des Nationalsozialismus schildern.

In diesem Sinne aktiviert Brecht die Idee, die Schilderung und die Kritik im Laufe der Handlung zu entwickeln, und dies hauptsächlich ausgehend vom Chor.

Schließlich enthält das epische Theater die Idee, daß dem Theater die Maske abgenommen wird, indem sein fiktionaler Charakter deutlich gemacht und dadurch mit der Idee der Identifizierung seitens des Zuschauers gebrochen wird. In dem die Mittel des Theaters offenbart werden, ist sich der Zuschauer in jedem Moment bewusst, dass er ein Theaterstück sieht und nicht das Leben durch ein Schlüsselloch ausspioniert.

Außerdem brachen Erwin Piscator und Bertolt Brecht mit der Illusion der Bühne, wie sie sich bis dahin entwickelt hatte. Sie benutzten eine sehr moderne Technik: simultane Szenarien, die gleichzeitig verschiedene Aspekte des Geschehens zeigen konnten, mobile Brücken, Transportbänder, Drehbühnen usw. Piscator benutzte außerdem projizierte Bilder und, ab 1925, auch projizierte Dokumentarfilme, die zu dem,  was auf der Bühne geschah, passten und neue Aspekte hinzufügten.

Brecht stellte die Schauspieler oft vor den Vorhang und ließ sie das Geschehen kommentieren. Die Schauspieler wandten sich ans Publikum und es wurden Texte und Bilder projiziert. All dies sollte, zusammen mit den Liedern, die Identifizierung des Zuschauers mit den Personen des Stückes verhindern oder einschränken.

Das Bühnenbild war einfach und spielte nie eine hervorragende Rolle. Es waren minimalistische Bühnenbilder, ganz im Gegenteil zum Naturalismus. Man konnte das Theater als Rahmen sehen, innerhalb dessen sich alles abspielte, ohne dass man es vollständig verschleiern wollte.  Auch die benutzte Beleuchtung wollte weder das wechselnde Tageslicht imitieren, noch die Realität kopieren; sie war eher dramaturgisch bedingt und entsprach der jeweils von der Szene verlangten emotionalen Atmosphäre.

Seine Dramaturgie

Eine weitere Charakteristik des Brecht’schen Theaters, die man zum Beispiel im Stück „Galileo Galilei” erkennen kann, ist sein episodischer Charakter. Anstatt die Teile in Akte und Szenen zu zerlegen, zeigt der Autor Situationen, die schildern, was in diesem Moment geschehen wird, ganz im Stil des griechischen Chores. Ein Beispiel dafür liefert uns das wortwörtliche Zitat vom Anfang des Stückes “Dass Leben des Galileo Galilei”: “Galileo Galilei, Lehrer der Mathematik zu Padua, will das neue kopernikanische Weltsystem beweisen” (Galileo Galilei, Seite 493, die Stücke von Brecht in einem Band”, Suhrkamp Verlag). In diesem Sinne geht dieses Mittel auch mit dem vom Autor angebotenen Konzept der Verfremdung einher, denn diese kleine Schilderung wird szenisch durch Plakate oder durch die Stimme eines Erzählers dargeboten, Mittel, durch welche den Zuschauern gesagt wird wird, was geschehen wird. Auf diese Weise sucht man weder Gefühle noch Überraschungen, sondern die Verfremdung und das Bewußtsein, dass man einem Schauspiel beiwohnt. Den Verfremdungseffekt kann man auch daran erkennen, dass Personen wie ein Balladensänger und wandernde Komiker eingeführt werden,  die in der zehnten Szene des Stückes eine Melodie anstimmen:

“- DER BALLADENSÄNGER trommelnd: Geehrte Einwohner, Damen und Herren! Vor der grossen Fastnachtsprozession der Gilden bringen wir das neueste Florentiner Lied, das man in ganz Oberitalien singt und das wir mit großen Kosten hier importiert haben. Es betitelt sich: Die erschröckliche Lehre und Meinung des Herrn Hofphysikers Galileo Galilei oder Ein Vorgeschmack der Zukunft. Er singt:

(Galileo Galilei, Seite 525, die Stücke von Brecht in einem Band”, Suhrkamp Verlag).

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